#NewWorkTransformation: Ein Framework für Organisationen

Es ist eines der wichtigsten Mantras der New-Work-Szene: Für die Transformation einer Organisation hin zu New Work gibt es keine Blaupause. Jede Organisation müsse ihren eigenen Zugang zu New Work, seinen Prinzipien und praktischen Implikationen finden.

So einleuchtend dieses Mantra klingt, so schwierig ist es für Organisationen, es umzusetzen:

  • In der Regel gibt es intern keine „Deep Experts“ zum Thema New Work. Jemand hat vielleicht einen Kongress besucht, die HR-Abteilung studiert das Phänomen mit Interesse oder das Management möchte keine angeblichen Vorteile von „New Work“ verpassen und gibt die Jagd nach dem Heiligen New-Work-Gral als Organisationsziel aus.
  • Viele Organisation basieren immer noch auf traditionellen Paradigmen wie explizit hierarchischer Führung, individuellen, geheimen Zielvereinbarungen oder einer ausgeprägten Silo-Mentalität. Das ist ihnen nicht vorzuwerfen; immerhin sind nicht wenige Organisationen damit erfolgreich geworden. Ein Paradigmenwechsel hin zu New Work und seinen fünf Prinzipien kann damit jedoch schwer von innen her ausgelöst werden.
  • Gerade die Vielfalt an Methoden, Themen und Meinungen verwirrt viele Organisationen – zurecht. Es gibt keinen „Diskurs-Leuchtturm“, an dem sich Organisationen orientieren könnten. So sind sie auf eigene, zeitaufwändige Recherche, interne „Missionare“ und auch das nötige Quäntchen Glück bei der Auswahl der richtigen Ansätze angewiesen (ein schönes Praxisbeispiel hierfür schildert Franziska Beer in Folge 8 unseres Podcast New Work Works).

Die eben genannten Punkte stellen auch wir bei unseren Gesprächen mit Kunden immer wieder fest: Der Geist ist willig, aber das Fleisch bzw. die gefestigte Wissens- und Umsetzungskompetenz ist schwach. Daher haben wir uns bei humanfy entschlossen, ein Framework zu entwickeln, entlang dessen eine Organisation ihr New-Work-Projekt entwickeln kann: die #NewWorkTransformation.

Ein solches Framework sollte folgende Merkmale aufweisen, damit Organisationen es nutzbringend einsetzen können:

  • Verdeutlichen aller wichtigen Elemente eines Frameworks (Struktur, Prozess, Logik) und ihre Verknüpfung untereinander
  • Schaffen einer gemeinsamen Sprache und gemeinsamer Mentaler Modelle für die Organisation
  • Schaffen eines (fixen) Ordnungsrahmens für (flexible) Dynamiken, innerhalb dess sich die Organisation orientieren und sicher bewegen kann
  • Ableiten von qualitativen und quantitativen Zielen
  • Stärken der Autopoiese (Empowerment und Selbstverantwortung)

Auf Grundlage dieser Merkmale haben wir unser Framework #NewWorkTransformation entwickelt, das aus drei Kernelementen besteht: unseren fünf New-Work-Prinzipien, dem Ansatz Objectives & Key Results (OKR) und unserem Organisationscoaching:

Skizze humanfy #NewWorkTransformation Framework

Wie man sieht, bilden die fünf New-Work-Prinzipien Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und Soziale Verantwortung das Fundament, das jeden Teil des Frameworks durchdringt. Alle Beteiligten operieren auf Grundlage eines vertieften New-Work-Verständnisses, wie es unsere New Work Charta beschreibt. Eine solche Basis verhindert zum Beispiel, dass New Work unkritisch innerhalb der alten Paradigmen umgesetzt wird.

Die dynamische Klammer des Frameworks ist der klassische OKR-Prozess, der bereits bestehende Visionen und Ideen der Organisation aufnimmt und in einem kaskadierenden Prozess eine gemeinsame New-Work-Vision auf- und umsetzt. Entscheidend ist hier die Beteiligung aller Mitarbeitenden, angefangen vom Management über die Führungskräfte, die „New Work Streams“ als Kern der operativen Umsetzung bis hin zu allen weiteren Mitarbeitenden.

Mit unserem Ansatz des Organisationscoachings schließlich unterstützen wir den Prozess als Ganzes, sind Sparringspartner sowie Facilitator und sorgen für Vernetzung und Transparenz. Als gute Coaches geben wir dann Stück für Stück die Verantwortung an die Organisation ab und lassen sie in ihr ganz individuelles New Work hineinwachsen. So schließt sich der Kreis zum anfangs erwähnten Mantra – denn jede Organisation findet tatsächlich ihr eigenes New Work.

Hier findet ihr weitere Details zur #NewWorkTransformation.

Diese sieben Trends bestimmen die Zukunft der Arbeit

Bild eines Neon-X

War’s das jetzt? Werden wir jetzt alle kollektiv unsere Kantinenkarte zurückgeben und dafür eine Ladung Kaffeebohnen extra kaufen für die konzentrationsputschende Kaffeemaschine daheim? Werden wir unseren Schreibtisch im Büroturm räumen – diesmal nicht, weil wir gefeuert werden, sondern weil das Top Management nach Canossa gegangen ist und dort festgestellt hat, dass Homeoffice bei 50.000 Mitarbeitern ja auch ganz gut funktioniert?

Ganz so eindeutig wird es wohl nicht werden. Es wird weiterhin Büros geben, Produktionshallen sowieso, aber eben auch Homeoffice – und das viel mehr als früher. Gesellschaftlich mag in den nächsten Monaten wieder so etwas wie Normalität einziehen – wirtschaftlich gesehen werden wir noch lange an den Folgen von Corona laborieren. Um nicht im Nebel zu schwimmen, will ich darum hier sieben Trends zur Zukunft der Arbeit unter dem Einfluss von Corona aufstellen:

Trend #1: Homeoffice – Das neue Normal

Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Das Homeoffice wird die reine Büroarbeit, wenn nicht komplett, so doch bis zu 50 Prozent ersetzen. So will beispielsweise die Deutsche Börse ihre Homeoffice-Quote „von unter zehn Prozent signifikant erhöhen“. Der Autokonzern PSA hat verlauten lassen, Homeoffice sollte „die Norm für alle Geschäftsbereiche werden die nicht direkt mit der Produktion verbunden sind“. Und Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, stellt auf der Hauptversammlung indirekt sogar die Frankfurter Bürotürme in Frage. Was das Homeoffice angeht, könnte die Corona-Krise daher tatsächlich der große Gamechanger werden, den sich die Apologeten der flexiblen Arbeit immer gewünscht haben.

Trend #2: Homeoffice – Die unterschätzte Investition

Gleichzeitig, auch das muss man festhalten, unterschätzen Unternehmen die Kosten für Homeoffice. Es ist ja nicht damit getan, dem Mitarbeiter einen Laptop hinzustellen und einen VPN-Tunnel zu bauen (manche Unternehmen tun nicht einmal das, sondern greifen auf die Privatgeräte der Mitarbeiter und ungesicherte Netzwerke zurück). Unternehmen müssen vielmehr folgende Investitionsgebiete im Auge behalten, wenn sie dauerhaft Homeoffice etablieren wollen: Technik im Homeoffice, Software, digitale Infrastruktur des Unternehmens, Schulung und Training der Mitarbeiter, Betriebliches Gesundheitsmanagement. Von der Klärung rechtlicher Fragen wie Datenschutz, Datensicherheit, Arbeitsrecht etc. ganz zu schweigen. Diese Kostenblöcke müssen Unternehmen mit den Kostenvorteilen verkleinerter Büroflächen, eingesparter Monatstickets für den OPNV, geringerer Kosten für Verbrauch und Infrastruktur vor Ort gegenrechnen, um zu einer belastbaren Kalkulation von Homeoffice zu kommen.

Trend #3: Das Büro – Revival des Sozialen

Jetzt könnte man meinen, dem herkömmlichen Büro hätte schon das Totenglöckchen geschlagen. Doch so weit wird es nicht kommen. Nach heutigem Forschungsstand brauchen Menschen (noch) den personalen Austausch von Mensch zu Mensch vor Ort, wenn es um Kreativität und Innovation geht. Und auch Vertrieb geht besser persönlich – nur findet dieser zum Großteil beim Kunden statt. Wir werden daher Büros für zwei Zwecke erhalten: für den qualitativen sozialen Austausch und für Kreativ-Meetings. Dies sei allen Möbel- und Landschaftsdesignern ins Stammbuch geschrieben. Übrigens: Das Großraumbüro ist tot. Es war schon vor Corona tot, wusste aber noch nichts davon.

Trend #4: Geschäftsreisen – Dauerhaft auf Diät

Kommen wir zu den echten Verlierern der Arbeitsrevolution: den Anbietern von Geschäftsreisen, Hotelportalen, Hotels, Taxiunternehmen, Fluggesellschaften, der Deutschen Bahn. Neben der momentanen Homeoffice-Welle ist gerade bei Verkehr und Logistik der ökologische Imperativ und der gesellschaftliche Konsens, hier Klimaschutz zu fördern, enorm. Da viele der eben genannten Branchen von Geschäftsreisenden leben und viele Unternehmen gerade auf den Geschmack kommen, teure Geschäftsreisen durch Videokonferenzen zu ersetzen, werden wir hier eine Gesundschrumpfung und Marktkorrektur (vulgo: Pleitewelle) erleben. Verlierer werden hier wie überall zuerst die kleinen Anbieter sein, die ihre Angebots-Monokultur nicht skalieren können und keinen größeren Kapitalpuffer haben.

Trend #5: Coworking Spaces – Nicht Fisch, nicht Fleisch

Tragisch enden wird die Corona-Krise auch für viele Co-Working Spaces. Gerade sie waren angetreten, das Erlebnis der Arbeit, den Geist der Zusammenarbeit mit kreativem Spirit zu erneuern, gar zu revolutionieren. Nun sind sie jedoch gefangen zwischen den vielen freiwerdenden Büroflächen, die den Unternehmen sowieso gehören, und dem dauerhaften Homeoffice-Boom. Scylla und Charybdis. Wenn es um Arbeitsplatz-Kosten geht, werden in Zukunft Coworking-Spaces erst an dritter Stelle in Betracht gezogen, nach dem traditionellen Büro und dem Homeoffice. Persönlich finde ich das superschade, denn ich habe wirklich engagierte und inspirierende Coworking Spaces (und deren Macher!) kennengelernt. So frisst die Revolution ihre Kinder.

Trend #6: HR-Dienstleister – Digitalize or die

Fast alle großen Konzerne machen bis Ende 2020 keine Live-Events mehr mit externen Anbietern. Doch das ist nur der Anfang. Wer als Dienstleister für Human Resources unterwegs ist, egal ob als Lernanbieter, Coach, Berater oder ähnliches, tut besser daran, sein komplettes Portfolio auf die Frage hin zu überprüfen: Was, wenn Live nicht zurückkommt? Ich persönlich glaube zwar nicht, dass es dazu kommt, aber schon vor Corona war die Dienstleister-Branche mit Forderungen nach einer höheren Digitalisierung von Weiterbildung und anderen Produkten konfrontiert. In Zukunft werden Live-Trainings, Live-Workshops etc. nicht mehr die Regel sein, sondern die Zusatzbuchung, wovon der Kunde schlüssig überzeugt sein will. Diesen Digitalisierungsmove werden viele Dienstleister nicht überleben.

Trend #7: Gesellschaft – Stadtbild, reloaded

Und noch ein Wort zur Entwicklung der Stadt. Stellen Sie sich die Innenstadt von Frankfurt vor, nur mit 50 Prozent weniger Arbeitnehmern, die morgens den ÖPNV oder das Auto nutzen, die die Bürotürme bevölkern, mittags in die umliegenden Gastronomie-Betriebe ausschwärmen, nach Feierabend noch etwas kaufen. Gut, Frankfurt ist ein Extrembeispiel. Aber die Städte werden definitiv zunächst veröden, wenn dort weniger Arbeit verrichtet wird. Büros werden leerstehen, die Belastung der Verkehrsinfrastruktur muss neu berechnet werden, Gastronomie und Einzelhandel werden spürbar leiden. Noch haben wir darauf keine Antwort bzw. ein positives Szenario.

Corona ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es die Gesellschaft kollektiv traumatisiert, weil sie ganz neue Ängste aktiviert, weil sie Staat und Bürger ganz neu herausfordert. Gleichzeitig ist Corona für die Arbeitswelt eine Chance, alte Zöpfe abzuschneiden, Arbeit tatsächlich neu zu erfinden, unser Verhältnis zur Arbeit zu überdenken und mehr Sinn, Effektivität und auch mehr Effizienz in unserer Arbeitswelt zu aktivieren. Denn das ist kein Widerspruch.

Und wie immer liegt es an uns, was wir daraus machen.

Stell dir vor, es ist Büro – und keiner geht hin

Bild eines leeren Meeting-Raumes

Laut einer Studie des IBM Institute for Business Values unter amerikanischen Verbrauchern wollen auch nach der Corona-Pandemie viele Berufstätige gar nicht mehr zurück ins Büro. Fast 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich von ihren Arbeitgebern Angebote für Remote-Arbeit wünschen, wenn der normale Arbeitsbetrieb wieder anläuft. Sogar mehr als 75% gaben an, dass sie – zumindest zeitweise – daran festhalten möchten, von zu hause aus zu arbeiten, während immerhin 54 Prozent ihr Homeoffice als bevorugte Arbeitsumgebung sehen.

Zweifelsohne hat in vielen Organisationen der eher spontane und für viele ungeordnete Rückzug in die heimischen vier Wände zumindest für die Corona-Lockdown-Zeit die Homeoffice-Praxis als fast „alternativlos“ beschleunigt und insgesamt eher wenig Rücksicht auf private Vorlieben genommen. Und die eine oder andere Führungskraft, die sich zuvor so gar nicht an „Arbeiten in Abwesenheit“ gewöhnen wollte und das Homeoffice verhindert bzw. nicht gefördert hat, wurde auch davon überzeugt, dass das Homeoffice gar nicht so schlecht sein muss.

Wie so vieles benötigt jedoch auch das Arbeiten im Homeoffice eine gewisse Haltung, ein gemeinsames Verständnis und Arbeitsplatz-Souveränität. Freilich gibt es auch Mitarbeiter, die dem Homeoffice nach wie vor nichts abgewinnen können und das Büro vorziehen. Daher sollte eine Homeoffice-Regelung alle Seiten berücksichtigen.

Homeoffice stellt nicht nur besondere Anforderungen an die Ausstattung des heimischen Arbeitsplatzes und an eine einheitliche Absprache von Erreichbarkeiten, etc. sondern auch an die Haltung im gesamten Team: Produktivität wird u.a. durch Fokussierung und Energie geprägt, nicht durch starre Arbeitszeiten und Anwesenheiten. Das muss aber erst mal in allen Köpfen ankommen. Hier sollte man als Führungskraft und Arbeitgeber Brücken bauen zwischen Homeoffice-Fans und -Kritikern.

Abgesehen von Haltung und auch Kompetenzen für Remote Work und in verteilten/virtuellen Teams sind weitere Fragen wichtig: Wie werden interaktive Formate aufgesetzt? Wie sieht zum Beispiel ein Onboarding eines neuen Teammitglieds aus?

Aktuell machen wir hier mit unseren Kunden sehr interessante Erfahrungen durch unseren Team Performance Index. Der zweitägige Workshop, den wir in der Vergangenheit im Rahmen von Teamcoachings angeboten haben, um „Spaß an High Performance“ zu unterstützen, führen wir nun mit unseren Kunden ganz klar mit dem Fokus auf Remote Work durch. Wie kann ein Team, das bislang geschlossen vor Ort zusammen gearbeitet hat, zukünftig auch remote an einem Strang ziehen – ohne Produktivitätsverlust, ohne Verlust des Gemeinschaftssinns, ohne Vertrauensverlust?

Wie sieht deine persönliche Erfahrung mit Remote Work aus? Schreib uns in die Kommentare oder mail uns gerne an.

It’s the Menschenbild, stupid!

Bild eines Bronzekopfes

Wenn wir von Entwicklung in Unternehmen sprechen (egal, ob es um
Führung, Kommunikation, Kultur, Personalentwicklung oder ähnliches
geht), dann springen wir in der Regel gleich ins Thema rein. Wir widmen
uns Modellen und praktischen Anwendungen, wir machen Workshops, Projekte
zu Transformation und Change etc.

Was interessanterweise so gut wie nie thematisiert wird, ist das
Menschenbild aller Beteiligten. Wie tickt denn der Mensch? Wie wird er
motiviert? Sollen Gefühle am Arbeitsplatz eine Rolle spielen? Und wenn
ja, welche? Diese und andere Fragen werden stillschweigend ignoriert.
Dabei ist das Menschenbild, das mein Denken, Fühlen und Handeln steuert,
absolut entscheidend. Kleine Kostproben:

  • „Ich muss das den Mitarbeitern nicht erklären. Eine Rundmail
    reicht.“ (= Menschen brauchen keine Kommunikation. Sie sind rationale
    Automaten, die ich auf technologischem Weg informieren kann.)
  • „Wenn ich den Meier nicht anschiebe, macht der nichts. Der hat so gar
    keine Motivation.“ (= So etwas wie interne Motivation gibt es nicht.
    Menschen müssen belohnt oder bestraft werden.)
  • „Unsere FTEs
    sind viel zu hoch. Da müssen wir kappen.“ (= Menschen sind verfügbares
    Humankapital, auf einer Stufe mit Maschinen oder Büromöbeln.)

Die gleichen Mitarbeiter und Führungskräfte, die solche Sätze sagen,
rennen dann zu New Work – Tagungen, huldigen „disruptiven“
Technologieversprechen, modernen Arbeitsansätzen und kuscheligen
Lounge-Möbeln für den neu gestylten Arbeitsbereich. Dabei ist das Menschenbild das Entscheidende im New Work!
Wie will ich denn „Augenhöhe“ (noch so ein Modewort) leben, wenn ich
insgeheim denke: „Die Pfeife muss man auch ständig zum Jagen tragen.“
Ganz abgesehen davon, dass ein Menschenbild auch meine Sicht AUF MICH
SELBER beeinflusst.

Und ja, das ist kein Thema der Ökonomie oder der Organisationsentwicklung oder von Change. Es ist ein philosophisches Thema – womit bewiesen wäre, dass sich moderne Führungskräfte bitte auch mit Philosophie und Psychologie beschäftigen sollten. Wussten Sie, dass der New Work – Begründer Frithjof Bergmann Philosophie-Professor ist? Er promovierte über Hegel und die menschliche Freiheit. Philosophie steckt New Work in den Genen. Sie zu ignorieren wäre, wie einem menschlichen Körper den Sauerstoff abzudrehen.

In meiner Masterclass Organisationscoaching bringe ich angehenden Organisationscoaches unter anderem bei, dass die Grundlage ihres Handelns das humanistische Menschenbild sein sollte. Es besteht aus sechs Kernannahmen über den Menschen (=> ausschneiden und aufkleben):

  • Der Mensch besteht aus der Einheit von Körper, Geist und Seele (Integrität)
  • Der Mensch ist sich seiner selbst und seiner Umwelt bewusst (Bewusstsein)
  • Der Mensch hat ein Recht auf Freiheit und eigene Entscheidungen (Souveränität)
  • Der Mensch ist einzigartig, in sich wertvoll und von Grund auf gut (Originalität)
  • Der Mensch ist angelegt auf Selbstaktualisierung und Wachstum (Autopoiese)
  • Der Mensch ist auf Konkurrenz und Kooperation hin angelegt (Sozialität)

Diese sechsteilige Zusammenstellung findet ihr so nur bei mir, daher
gibt es auch keine Quellenangabe. Ich habe verschiedene Quellen
recherchiert, aber richtig befriedigt hat mich da nichts. Daher habe ich
selbst einen originalen Kriterienkatalog mit den entsprechenden
Schlagworten designt.

Zu jedem dieser Schlagworte könnte man ein Buch schreiben. Ich will es im Rahmen dieses Artikels bei einigen provozierenden Betrachtungen belassen. Nur soviel: Fragt euch mal, wo diese Prinzipien in eurem Unternehmen GEBROCHEN werden.

  • Darftst du „wachsen“ und dich entwickeln? Oder wirst du kleingehalten bzw. gibt es kein Bewusstsein für individuelles oder kollektives Lernen? Vergiftet man das persönliche Wachstum durch Silodenken und Abschottung?
  • Wie frei bist du in deinen Entscheidungen? Oder wirst du gegängelt, es wird dir nichts zugetraut, du hast kein Budget?
  • Wenn der Mensch tatsächlich aus der Einheit von Körper, Geist und Seele besteht: Warum vernachlässigt man dann die Bedürfnisse von Geist und Seele in unserer Arbeitswelt so sträflich? Die Flut von Burnout-Fällen, grassierende Demotivation oder die Unfähigkeit von Unternehmen, strukturell mit Stress umzugehen, fallen ja nicht vom Himmel.
  • Wirst du wirklich als „wertvoll“ und als „von Grund auf gut“ betrachtet? Oder bist du ein Rad im Getriebe, das man bedenkenlos austauscht, wenn es kaputt ist?

Was ich sagen will, ist Folgendes: Wir gehen nonchalant davon aus, dass wir alle ein humanistisches Menschenbild teilen. Schließlich ist 2020 und wir sind doch alle vernünftige Leute.

Eben nicht. Humanismus erfordert eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Menschenbild und wo dieses ganz konkret mein Denken, Fühlen und Handeln im Unternehmen beeinflusst. DAMIT müsste jede Initiative, die mit Menschen zu tun hat, beginnen. Mindestens, indem sich alle Beteiligten über das humanistische Menschenbild aufschlauen und ihr Denken kritisch prüfen. Das wäre der Beginn hin zu einem grundsätzlichem Umdenken und zu echtem New Work.

Purpose und dreiteilige Wertschöpfung

In unserer New Work Charta sprechen wir unter anderem von einer „dreiteiligen Wertschöpfung“ eines Unternehmens. Was bedeutet das und wie hängt dieser Begriff mit dem vielzitierten „Purpose“ von Unternehmen zusammen? Das wollen wir euch in diesem Artikel näher erläutern.

Nach unserer Erfahrung trägt eine unkritische Verwendung des Begriffs „Purpose“ bei Unternehmen eher zu einer Verwirrung als zu einer Klärung im New Work – Kontext bei. Was soll Purpose sein? Der Begriff bleibt oft nebulös, verwaschen. Im schlimmsten Fall diagnostizieren interessierte Unternehmen ein „sozialromantisches Gerede“, das nicht zu ihrem „harten Business“ passt. Das ist schade, denn Purpose – richtig verstanden – hat positive Auswirkungen auf den Mitarbeiter, den Arbeitsalltag und das ganze Unternehmen.

Die New Work Charta und Purpose

In unserer Charta haben wir dem Unternehmenssinn oder eben dem Purpose ein eigenes Prinzip gewidmet:

Jede Organisation dient einem Sinn, einer Wertschöpfung. New-Work-Organisationen beteiligen ihre Beschäftigten an der Findung und der Vervollkommnung dieses Sinns durch bewusste, strukturierte Prozesse:

1. Arbeit, die man wirklich, wirklich will: New-Work-Organisationen setzen ihre Mitarbeiter nach deren Stärken und Bedürfnissen ein und ermöglichen ihnen, unter Maßgabe des Organisationszwecks, zu wachsen und ihr Potenzial auszuschöpfen.

2. Definieren einer dreiteiligen Wertschöpfung: New-Work-Organisationen können nicht nur ihre finanzielle, sondern auch ihre wirtschaftliche und kulturelle Wertschöpfung klar benennen. Diese Wertschöpfung spiegelt sich in einer selbst-bewussten und sichtbaren Unternehmensidentität wider.

3. Sinnhaftes Gestalten des Alltags: New-Work-Organisationen können jederzeit die Wozu-Frage beantworten, sei es bei Portfolio, Strategie, Organisation oder Technologie. Die Ausgestaltung dieser Dimensionen erfolgt rational und unterliegt der übergeordneten Wertschöpfung.

Die dreiteilige Wertschöpfung

Hier deutet sich bereits an, dass es Purpose auf drei Ebenen gibt:

  1. für den einzelnen Mitarbeiter. Dies drückt sich im New Work in dem Begriff „Arbeit, die man wirklich, wirklich will“ aus. Damit ist nicht Fun und Bällebad gemeint, sondern eine Tätigkeit, die den Stärken und Bedürfnissen des Mitarbeiters bestmöglich entspricht und mit der er sich zum Wohle des Unternehmens einsetzt.
  2. für den Arbeitsalltag. Auch dieser hat durchaus einen Purpose, ein „Wozu machen wir das?“, nämlich in einem operativen Sinne. Unternehmen sind heutzutage vollgestopft mit buchstäblich sinnlosen Aktionen, unnötigen Initiativen und dysfunktionalen Verhaltensmustern. New Work stellt diese Dysfunktionalitäten in Frage: „Wozu machen wir eigentlich dies und das?“ sollte in einer New Work – Organisation gefragt werden dürfen – inklusive einer rationalen, befriedigenden Lösungsfindung, die sich aber in der Zukunft wiederum auf den Prüfstand stellen lässt. Heute Dinge zu machen, bedeutet nicht, dass sie morgen noch sinnhaft sind, auch wenn wir uns daran gewöhnt haben.
  3. für das Unternehmen insgesamt. Jedes Unternehmen hat einen Purpose, ob es will oder nicht. Allein schon aufgrund der Tatsache, dass jedes Unternehmen ein individuelles soziales System aus Menschen ist, die mit ihren Überzeugungen und Fähigkeiten das kulturelle Feld des Unternehmens prägen. Die Frage ist nur, wie bewusst sich ein Unternehmen mit dem Purpose auseinandersetzt, um sich damit entsprechend zu stärken. Ein Unternehmenspurpose ist nämlich keine Sozialromantik, sondern wirkt sich positiv auf unterscheidliche Funktionen aus: Recruiting, Employer Branding, Arbeitskultur, Entwickeln von Innovationen, das Übernehmen von Verantwortung und vieles mehr.

Für Menschen ist es seit jeher ein Urbedürfnis, die Frage zu beantworten: „Wer bin ich?“, „Wofür bin ich hier?“, „Was ist der Sinn meines Lebens?“ Auch für ein Unternehmen sind dies interessante Fragen: „Wofür sind wir hier?“ „Was wäre ab morgen anders, wenn es uns als Unternehmen nicht mehr geben würde?“ „Was würde der Welt fehlen?“

Warum ist das interessant? Nur ein Beispiel: Wenn alle Mitarbeiter hinsichtlich des Unternehmenssinns, des tieferen Ziels ihres Unternehmens ein Bewusstsein teilen, laufen sie viel schneller in eine Richtung, wenn diese verändert werden muss – durch eine Marktveränderung, eine Krise oder ähnliches. Man teilt gemeinsame Werte und eine gemeinsame Einschätzung der Situation – eben durch die gemeinsame Unternehmensidentität, den Purpose. Dadurch hat man beispielsweise bei Projekten zu Transformation und Change viel weniger Diskussionsbedarf bzw. Irritationen. In einer dynamischen Welt von „hartem Business“ ist es darum auch für traditionell eingestellte CEOs, Geschäftsführer und Führungskräfte sinnvoll (!), über Purpose in ihrem Unternehmen nachzudenken.

Purpose und Financial Value

Der aufmerksame Leser hat registriert, dass wir noch nicht über den Financial Value gesprochen haben. Dieser gehört streng genommen nicht zum Purpose (wie es auch die Grafik verdeutlicht). Gute Zahlen sind vielleicht das operative Ziel eines Unternehmens, aber nie der Sinn. Das wird von vielen Führungskräften leider immer noch verwechselt. Aber wenn man NUR Gewinn und Marge sieht und die Bedeutung vor allem von People Value missachtet, erzeugt man keine Nachhaltigkeit, kein Engagement und keine Loyalität. Und das ist etwas, das sich zukunftsorienterte Unternehmen immer weniger leisten können.