Diese sieben Trends bestimmen die Zukunft der Arbeit
War’s das jetzt? Werden wir jetzt alle kollektiv unsere Kantinenkarte zurückgeben und dafür eine Ladung Kaffeebohnen extra kaufen für die konzentrationsputschende Kaffeemaschine daheim? Werden wir unseren Schreibtisch im Büroturm räumen – diesmal nicht, weil wir gefeuert werden, sondern weil das Top Management nach Canossa gegangen ist und dort festgestellt hat, dass Homeoffice bei 50.000 Mitarbeitern ja auch ganz gut funktioniert?
Ganz so eindeutig wird es wohl nicht werden. Es wird weiterhin Büros geben, Produktionshallen sowieso, aber eben auch Homeoffice – und das viel mehr als früher. Gesellschaftlich mag in den nächsten Monaten wieder so etwas wie Normalität einziehen – wirtschaftlich gesehen werden wir noch lange an den Folgen von Corona laborieren. Um nicht im Nebel zu schwimmen, will ich darum hier sieben Trends zur Zukunft der Arbeit unter dem Einfluss von Corona aufstellen:
Trend #1: Homeoffice – Das neue Normal
Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: Das Homeoffice wird die reine Büroarbeit, wenn nicht komplett, so doch bis zu 50 Prozent ersetzen. So will beispielsweise die Deutsche Börse ihre Homeoffice-Quote „von unter zehn Prozent signifikant erhöhen“. Der Autokonzern PSA hat verlauten lassen, Homeoffice sollte „die Norm für alle Geschäftsbereiche werden die nicht direkt mit der Produktion verbunden sind“. Und Christian Sewing, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, stellt auf der Hauptversammlung indirekt sogar die Frankfurter Bürotürme in Frage. Was das Homeoffice angeht, könnte die Corona-Krise daher tatsächlich der große Gamechanger werden, den sich die Apologeten der flexiblen Arbeit immer gewünscht haben.
Trend #2: Homeoffice – Die unterschätzte Investition
Gleichzeitig, auch das muss man festhalten, unterschätzen Unternehmen die Kosten für Homeoffice. Es ist ja nicht damit getan, dem Mitarbeiter einen Laptop hinzustellen und einen VPN-Tunnel zu bauen (manche Unternehmen tun nicht einmal das, sondern greifen auf die Privatgeräte der Mitarbeiter und ungesicherte Netzwerke zurück). Unternehmen müssen vielmehr folgende Investitionsgebiete im Auge behalten, wenn sie dauerhaft Homeoffice etablieren wollen: Technik im Homeoffice, Software, digitale Infrastruktur des Unternehmens, Schulung und Training der Mitarbeiter, Betriebliches Gesundheitsmanagement. Von der Klärung rechtlicher Fragen wie Datenschutz, Datensicherheit, Arbeitsrecht etc. ganz zu schweigen. Diese Kostenblöcke müssen Unternehmen mit den Kostenvorteilen verkleinerter Büroflächen, eingesparter Monatstickets für den OPNV, geringerer Kosten für Verbrauch und Infrastruktur vor Ort gegenrechnen, um zu einer belastbaren Kalkulation von Homeoffice zu kommen.
Trend #3: Das Büro – Revival des Sozialen
Jetzt könnte man meinen, dem herkömmlichen Büro hätte schon das Totenglöckchen geschlagen. Doch so weit wird es nicht kommen. Nach heutigem Forschungsstand brauchen Menschen (noch) den personalen Austausch von Mensch zu Mensch vor Ort, wenn es um Kreativität und Innovation geht. Und auch Vertrieb geht besser persönlich – nur findet dieser zum Großteil beim Kunden statt. Wir werden daher Büros für zwei Zwecke erhalten: für den qualitativen sozialen Austausch und für Kreativ-Meetings. Dies sei allen Möbel- und Landschaftsdesignern ins Stammbuch geschrieben. Übrigens: Das Großraumbüro ist tot. Es war schon vor Corona tot, wusste aber noch nichts davon.
Trend #4: Geschäftsreisen – Dauerhaft auf Diät
Kommen wir zu den echten Verlierern der Arbeitsrevolution: den Anbietern von Geschäftsreisen, Hotelportalen, Hotels, Taxiunternehmen, Fluggesellschaften, der Deutschen Bahn. Neben der momentanen Homeoffice-Welle ist gerade bei Verkehr und Logistik der ökologische Imperativ und der gesellschaftliche Konsens, hier Klimaschutz zu fördern, enorm. Da viele der eben genannten Branchen von Geschäftsreisenden leben und viele Unternehmen gerade auf den Geschmack kommen, teure Geschäftsreisen durch Videokonferenzen zu ersetzen, werden wir hier eine Gesundschrumpfung und Marktkorrektur (vulgo: Pleitewelle) erleben. Verlierer werden hier wie überall zuerst die kleinen Anbieter sein, die ihre Angebots-Monokultur nicht skalieren können und keinen größeren Kapitalpuffer haben.
Trend #5: Coworking Spaces – Nicht Fisch, nicht Fleisch
Tragisch enden wird die Corona-Krise auch für viele Co-Working Spaces. Gerade sie waren angetreten, das Erlebnis der Arbeit, den Geist der Zusammenarbeit mit kreativem Spirit zu erneuern, gar zu revolutionieren. Nun sind sie jedoch gefangen zwischen den vielen freiwerdenden Büroflächen, die den Unternehmen sowieso gehören, und dem dauerhaften Homeoffice-Boom. Scylla und Charybdis. Wenn es um Arbeitsplatz-Kosten geht, werden in Zukunft Coworking-Spaces erst an dritter Stelle in Betracht gezogen, nach dem traditionellen Büro und dem Homeoffice. Persönlich finde ich das superschade, denn ich habe wirklich engagierte und inspirierende Coworking Spaces (und deren Macher!) kennengelernt. So frisst die Revolution ihre Kinder.
Trend #6: HR-Dienstleister – Digitalize or die
Fast alle großen Konzerne machen bis Ende 2020 keine Live-Events mehr mit externen Anbietern. Doch das ist nur der Anfang. Wer als Dienstleister für Human Resources unterwegs ist, egal ob als Lernanbieter, Coach, Berater oder ähnliches, tut besser daran, sein komplettes Portfolio auf die Frage hin zu überprüfen: Was, wenn Live nicht zurückkommt? Ich persönlich glaube zwar nicht, dass es dazu kommt, aber schon vor Corona war die Dienstleister-Branche mit Forderungen nach einer höheren Digitalisierung von Weiterbildung und anderen Produkten konfrontiert. In Zukunft werden Live-Trainings, Live-Workshops etc. nicht mehr die Regel sein, sondern die Zusatzbuchung, wovon der Kunde schlüssig überzeugt sein will. Diesen Digitalisierungsmove werden viele Dienstleister nicht überleben.
Trend #7: Gesellschaft – Stadtbild, reloaded
Und noch ein Wort zur Entwicklung der Stadt. Stellen Sie sich die Innenstadt von Frankfurt vor, nur mit 50 Prozent weniger Arbeitnehmern, die morgens den ÖPNV oder das Auto nutzen, die die Bürotürme bevölkern, mittags in die umliegenden Gastronomie-Betriebe ausschwärmen, nach Feierabend noch etwas kaufen. Gut, Frankfurt ist ein Extrembeispiel. Aber die Städte werden definitiv zunächst veröden, wenn dort weniger Arbeit verrichtet wird. Büros werden leerstehen, die Belastung der Verkehrsinfrastruktur muss neu berechnet werden, Gastronomie und Einzelhandel werden spürbar leiden. Noch haben wir darauf keine Antwort bzw. ein positives Szenario.
Corona ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es die Gesellschaft kollektiv traumatisiert, weil sie ganz neue Ängste aktiviert, weil sie Staat und Bürger ganz neu herausfordert. Gleichzeitig ist Corona für die Arbeitswelt eine Chance, alte Zöpfe abzuschneiden, Arbeit tatsächlich neu zu erfinden, unser Verhältnis zur Arbeit zu überdenken und mehr Sinn, Effektivität und auch mehr Effizienz in unserer Arbeitswelt zu aktivieren. Denn das ist kein Widerspruch.
Und wie immer liegt es an uns, was wir daraus machen.